Axel Schmidt | Bürgermeister der Rolandstadt Perleberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen Abend und möchte mich einmal direkt bedanken: Bei Herrn Radziwill und Herrn Schneider vom Förderverein des Judenhofes, bei Prof. Dr. Felix Mundt unseres Gottfried-Arnold-Gymnasiums und Herrn Urban Überschär der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass Sie diese Ausstellung und dieses Bildungsangebot hier möglich gemacht haben. Denn Bildung wird immer gebraucht.
Der Perleberger Judenhof erinnert bis heute an das jüdische Leben, das es hier einmal gab. Perleberg hat mit dem Judenhof einen historischen Ort und mit dem Förderverein Judenhof einen Verein, der sich darum kümmert, vergangenes jüdisches Leben der Rolandstadt wieder in Erinnerung zu rufen und mit Bildungs- und Veranstaltungsangeboten, Antisemitismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen.
Perleberg ist eigentlich eine ruhige Kreisstadt, die Prignitz eine entspannte Region. Bei der jährlichen Auswertung der Kriminalitätsentwicklung und politisch motivierter Straftaten sind wir ein positives Schlusslicht. Unsere größte Herausforderung sind Wildunfälle. In Brandenburg dagegen haben sich letztes Jahr antisemitisch motivierte Delikte fast verdoppelt und haben mit 284 Straftaten einen Rekordstand erreicht.
Doch diese beunruhigende Entwicklung hat nun leider auch bei uns Einzug gehalten. Während Veranstaltungen polizeilich geschützt werden, mussten Betriebshof und Polizei bereits im Januar ein Dutzend Hakenkreuze und Ausländer Raus-Schmierereien in der Stadt entfernen. Seitdem entdecken wir, und auch aufmerksame Bürger, beispielsweise regelmäßig rechtsextreme Aufkleber.
Ich bin ganz ehrlich, mir ist das bis heute unerklärlich. Ich habe u.a. Geschichte und politische Theorie studiert. Warum ist ein Jude kein Individuum mit eigenem Denken und Handeln, sondern automatisch Teil eines Kollektivs. Die ewige Schuld und Verschwörung der Juden! Wieso glauben Menschen, auch bei uns, noch immer, noch heute, diese ideologischen Lügen.
Und manchmal frage ich mich: Wo ist eigentlich unsere demokratische Mitte? Wohin sind unsere Demokraten verschwunden?
Demokratie lebt von Aufklärung und Bildung, Überzeugung und Kommunikation, der Integration und Teilhabe aller Menschen, aber auch dem Streit der Argumente. Lassen Sie uns gemeinsam für unsere Demokratie streiten.
In diesem Sinne wünsche ich dieser Ausstellung in Perleberg viel Erfolg und einen guten Verlauf, dass sie für die Besucher der Auftakt ist, miteinander wieder ins Gespräch zu kommen, wieder gemeinsam zu streiten.